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YOUR PARADISE IS NOT FOR ME


Videoinstallation

2003  Kunsthaus, Erfurt
2004  K4 galerie, Saarbrücken




Eine Frau schminkt sich im Spiegel. Die Farben sind grell, knallig, poppig. Die blonde Frau hat übergroße schwarze Balken unter den Augen und lange künstliche Wimpern. Eine schwarz geschminkte Gestalt, ebenfalls eine Frau beobachtet sie durch eine Videokamera. Sie nimmt die Bilder auf, die wir sehen. Beide Figuren scheinen sich gegenseitig wahrzunehmen. Sie interagieren miteinander, schauen sich an, beobachten sich. Die schwarze Figur spricht im Off mit einer kleinen, irren, piepsigen Stimme. Sie spricht über körperliches, aber ohne Zusammenhang. Die blonde Frau produziert sich für die Kamera, die Kamera dringt in intime Winkel ein, sie sucht, schnuppert an Augen, Mund, Nase. Es scheint ein Dialog zwischen beiden abzulaufen, der uns Außenstehenden verborgen bleibt. Es scheint um sinnliches zu gehen, erotisches, lustvolles. Die blonde Frau vollführt Gesten der Weiblichkeit, kokettiert, spielt, lädt ein, ist schamlos. Doch schon ein Augenblick später kippen die Bilder der Verführung: aus dem küssenden Mund wird der fressende Mund, aus der frivolen Zunge wird die schlingende Zunge, aus dem einladenden Lachen wird das Auslachen, das verschließende, mokierende Lachen.
Man fragt sich: wer sind diese Beiden? sie scheinen gefangen in ihrer Welt, aber kein unglückliches Gefangensein, ein Eingeschlossensein. Es ist eher eine Art “splendid isolation” in ihrem Badezimmer und man wird den Verdacht nicht los, dass beide dort nie heraus kommen werden. Doch wer sind die beiden? Blond/Schwarz, hell/dunkel, Objekt/Subjekt- diese Gegensätze lassen sich auf beide anwenden. die eine ist die Filmende, die andere ihr Objekt. Beide kommunizieren direkt miteinander und über den Spiegel. Wir sehen die Szene nicht mit eigenen Augen, sondern immer über die Kamera, die von der schwarz geschminkten Frau gehalten wird. Sie erlaubt uns also einen sehr intimen Blick, einen Einblick. Das Badezimmer an sich schon eine moderen Metapher für Intimität, hier wird sich gepflegt, hier werden die Masken aufgelegt, sich geschminkt und bereit gemacht für die Welt draußen. Deshalb ist es auch ein Ort des Dialogs zwischen mir und meinem Bild von mir- und hier liegt ein Schlüssel zu dieser Arbeit. Wir sehen ein Innenbild, das Seelenbild eines Menschen. Oder mit C.G.Jung gesprochen: wir sehen, wie sich Anima und Animus in einer Person vereinen. Das Ich zwischen Es und Über-Ich. Dass beide für Stoll& Wachall zusammengehören, sich wechselseitig beeinflussen, wird durch den schwarzen Balken unter den Augen der Blonden angedeutet. Gleichzeitig trägt die schwarze Figur die goldenen Wimpern der Blonden. In dieser Arbeit sind es die Gesten der Weiblichkeit, die hier durch die der Männlichkeit zugeschriebene Aggression verzerrt werden.
Stoll & Wachall, die als Duo in einer permanenten Dialog- und Beobachtungssituation leben, haben diese Arbeit schon 2003 geschaffen. Herausgekommen ist eine sehr konzentrierte Arbeit, die jedoch ihre Geheimnisse nicht so schnell frei gibt. Beim Blick in den dialogischen Spiegel Stoll & Wachall erkennen wir unsere eigene Befindlichkeit. Ist es uns angenehm? Peinlich oder gar ekelhaft was wir da sehen? Oder ist es amüsant, anregend, erotisch? Ein Wechselbad der Gefühle? Die Arbeit lädt zur Selbstreflektion ein. Nicht umsonst liegen auf dem Boden kleine Spiegel, die die Arbeit reflektieren.....

Frank Thinnes



Stoll & Wachall, die als Duo in einer permanenten Dialog- und Beobachtungssituation leben, haben diese Arbeit schon 2003 sehr intuitiv geschaffen. Wachall “ Es passiert einfach. Dann analysieren wir!” Herausgekommen ist eine sehr konzentrierte Arbeit, die jedoch ihre Geheimnisse nicht so schnell frei gibt. Beim Blick in den dialogischen Spiegel Stoll & Wachall erkennen wir unsere eigene Befindlichkeit. Ist es uns angenehm? Peinlich oder gar ekelhaft was wir da sehen? Oder ist es amüsant, anregend, erotisch? Ein Wechselbad der Gefühle? Die Arbeit lädt zur Selbstreflektion ein. Nicht umsonst liegen auf dem Boden kleine Spiegel, die die Arbeit reflektieren.....
Die Videoarbeit “Your paradise is not for me” operiert mit betont subjektiven, rätselhaften und assoziativen Aussagen, zu denen Thematik, Motivwahl und suggestive Form- und Farbgebung als auch Bildschnitt, Kameraführung und Sound gleichermaßen beitragen. All dies zielt nicht auf ein rationales Verständnis, sondern verlangen vom Betrachter Einfühlung in die in ihnen vergegenständlichte Stimmung.
Zusammen suggerieren wir als Doppel einen geheimen Verbund, der vom Betrachter nur punktuell durchdrungen werden kann. Mit gewisser Vorliebe für das Groteske, Überzeichnete, Lustvolle, Häßliche, Schöne, Erotische, Voyeurismus, Meditative, Agressive, Intime,...... kreieren wir Videoräume, die als Stimmungsträger und zur Inszenierung einer eigenen Welt dienen.

Stoll & Wachall



................aus dem fiktiv-autobiografischen Album des Duos Klaudia Stoll und Jacqueline Wachall setzt in lustvoller Überzeichnung das live wie virtuell übertragbare Alltagsleben doppelter, besser gesagt, unendlich variierbarer Identitäten und Handlungsabläufe in Szene.

Prof. Horst Haberl



Eine weibliche Person steht vor dem Spiegel, mit riesigen goldenen Wimpern angetan, und schminkt sich wohl doch eher lustvoll als schmerzlich die Lippen, um dann den so gewordenen Mund per Blick und vor allem per Bewegung auf seine diversen Funktionen hin zu überprüfen, während ein schwarzer Mensch die ganze Sache filmt. Das Video mit dem Titel “Your paradise is not for me “ein etwa 10 Minuten dauernder Film, läßt zum einen erkennen, daß eigentlich nichts weiter passiert, als eben genau das: Es schminkt sich jemand ausgiebig die Lippen und wird dabei durch eine Kamera von der oder dem Schwarzen mit der weißen Hand beobachtet. Es ist diese Kamerabewegung und es sind diese Blicke der Künstlerinnen, die den Betrachter ausschließen obwohl sie ihm doch gleichzeitig zu gelten scheinen. Denn man wird ja, zumindest manchmal, angesehen, bis dann ein Spiegel im Bild verrät, daß es eben die zweite Person schon im Film gibt, der die Blicke zugeschickt werden. In Zeitlupentempo wird hier vordergründig keine Handlung aufgebaut, sondern festgehalten, eine Handlung, die einerseits alltäglich-banal erscheint, und die nahezu ausschließlich Frauen bekannt sein dürfte, welche diese mitunter wie nebenher und an allen möglichen und unmöglichen Orten betreiben. Nun findet diese an sich gewöhnliche und dennoch selbst als solche ja keineswegs zweckfreie Handlung auch im Video unverkennbar in einem Badezimmer statt. Jedoch ist die Atmosphäre ziemlich eigen. Mittels der filmischen Langsamkeit, vor allem aber der Tonspur, welche zwar zum Bild synchrone, aber so eigentümlich verzerrte Wortfetzen und unartikulierte, fast tierische Laute enthält und plötzlich in den Raum wirft, wird Spannung aufgebaut, Spannung, die zu einem wesentlichen Teil schon von der Zweierkonstellation der beiden Akteurinnen getragen wird. Es scheint ein lustvoll-provokantes Spiel zu sein, was die beiden verbindet, das allerdings, man ahnt es schon, schnell kippen kann...

Dr. Silke Opitz



Bei der Videoarbeit “Your paradise is not for me” liegt eine ganz eigenwillige Form von Inszenierung / Selbstinszenierung zugrunde. Die Inszenierung der eigenen Körperlichkeit als Demonstrationsobjekt, als Klangkörper und auch Farbträger, als Lustobjekt und als Spiegel.

Zum Thema "das Kunstwerk als Spiegel" ist von verschiedener Seite eine Menge gesagt und geschrieben worden. Im Grunde ist fast jedes Kunstwerk ein Spiegel, oder ein Blick in den Spiegel. Bei Stoll & Wachall ist es eine Kette von Spiegelungen und Blicken - eine Vervielfältigung davon. In ihrer Arbeit ist es einmal der Blick in einen Spiegel, der Blick durch die Kamera, dann der Blick der einen Künstlerin auf die andere, der Blick des Betrachters auf den weiblichen Körper - letztendlich der Blick des / der Voyeurs/in.
Das Video zeigt die Weiten und die Grenzen ihres individuellen Paradieses. Einerseits wird mit der Inszenierung der Figuren als erotische Objekte zum Eintritt aufgefordert, dann aber wieder durch ein Überziehen erotischer / sexueller Momente das Schönheitsbild plötzlich konterkariert und gekippt. Die plötzliche unerträgliche Nähe des Kameraauges auf Details wie Augen und Münder verformen sich zu animalischen Bildern weiblicher Erotik und Sexualität - sehr machtvoll wird hier auch auf die Unzugänglichkeit des eigenen Paradieses hingewiesen.

Claudia Brieske
 
     
 
 
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