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BASIC SECRET



2000  Deutschherrenkapelle, Saarbrücken
2001  Begleitprogramm zur Joan Jonas Ausstellung, Stuttgart


Übersetzen wir den Titel der Performance und das gleichlautende Videotape von Jacqueline Wachall frei, so erzählt uns die Künstlerin von einem Urgeheimnis. Dies lässt aufhorchen, wollen wir doch alle ein wenig hinter den Vorhang des Verborgenen sehen, um vielleicht einen verbotenen, versteckten oder gar unmoralischen Blick auf das Private eines Menschen geboten zu bekommen. Die verborgenen Seher sind die Eingeweihten in das Geheimnis, wobei natürlich der Lustgewinn eben darin besteht, dass der oder die Beobachtete nichts vom Akt der Beobachtung ahnt. Die Kunstgeschichte kennt eine Vielzahl gemalter und gezeichneter Varianten der Entlarvung des beobachteten Beobachters, der dann erst recht zum Gespött der Öffentlichkeit wird. Was passiert aber, wenn der intime Blick auf das Geheimnsivolle öffentlich in einer Performance inszeniert wird? Wachall tut genau dies, indem sie uns in sieben kurzen, theatralisch inszenierten Episoden in die “Geheimnisse” weiblichen Rollenverhaltens, bzw. deren Projektionen aus männlicher Sicht Einblick nehmen lässt. So zeigt sich die Künstlerin als Hausfrau, als Lustobjekt, als Domina, als Schwangere, als Diva, indem sie typische, beinahe stereotype Objekte und Verrichtungen einsetzt, die wir sofort mit dem dazu passenden Bild weiblicher Identität verbinden. Dies alleine würde indes nicht ausreichen, die ironische Brechung der künstlerischen Reflexion zu vollziehen. Wachall baut sowohl in die einzelnen Szenarien wie auch tatsächlich zwischen die Stücke irritierende Momente ein, die die glatte Interpretation verhindern. So gibt es zum einen sekundenkurze Intervalle zwischen den Stücken, in denen die Betrachter in distanzloser Nahsicht einen sich ganz langsam bewegenden Pelz sehen (in der Performance leistet dies die Projektion mittels eines Videobeamers), und zum anderen setzt die Performerin ihre Gesten und Objekte so minimalistisch ein, dass der Interpretation ein offener Handlungsspielraum gelassen wird. Ganz deutlich wird diese Offenheit für mich an der Figur des geschnitzten Holztorso der fünften Szene und an der des Handtäschchens der dritten Szene: das Holzobjekt legt sich wie eine zweite Haut über den Körper der Künstlerin und durch das sanft-liebevolle Streicheln der Brüste simuliert sie ihre Identität mit dem Künstlichen. Jedoch wird durch die Stilisierung und Starre des Materials dem interpretierenden Blick eine Schranke in den Weg gestellt. Wir (männlichen?) Betrachter möchten diese Handlung vielleicht gerne als geheimen Blick auf eine nackte, schwangere Frau sehen, die sich in selbstvergessenem Genuss ihrem mütterlichen Körper hingibt. Doch der Körper ist nicht Fleisch, sondern Holz und mit der heimlichen Beobachtung liegen wir auch falsch, denn die Künstlerin blickt uns selbstsicher an, wohl wissend um ihr Beobachtetwerden. Die andere Szene könnte man noch drastischer als sexuelle Handlung interpretieren, wenn wir das Täschchen als Vulva bezeichnen. Für eine kurze Zeit mag dies gelingen, doch das laute Klicken des Verschlusses und das entschlossene Verdecken der nackten Beine zerrt uns unerbittlich wieder in die reale Welt der Künstlichkeit des Künstlerischen zurück. Hierin liegt meines Erachtens auch das paradoxe Grundgeheimnis, nämlich dass unter der Oberfläche des zur Schau gestellten menschlichen Verhaltens eine Vielzahl von anderen, doch ebenso wahren wie realen Sinnschichten verborgen sind. Diese kann man niemals alle darstellen und schon gar nicht sehen. Geschlechtliche Identität hat eben nicht die eine, gesellschaftlich determinierte Struktur, sondern man muss alle anderen möglichen Seinsweisen immer mitdenken. Die verschiedenen Stereotypen von Frauen, welche Wachall hier inszeniert, sind tatsächlich nur eine einzige. In welches ihrer Urgeheimnisse sie uns einweiht, bleibt ihr überlassen - Täuschungen eingeschlossen.

Dr. Gerhard Glüher

 
     
 
 
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